Musikalische Lesung der Klasse 10b

22. Juli 2024

Musikalische Lesung der Klasse 10b

zum Roman „Hard Land“ von Benedict Wells

Deutschunterricht einmal ganz anders: Songs und Texte berühren die Zuhörer

„Neue Emotionen kennenlernen, so richtig verliebt sein, über den eigenen Schatten springen, das sind Erlebnisse und Gefühle, die wir alle irgendwie kennen.“, erklärt Feride Hoti. Es ist 7.30 Uhr. Erste Stunde. Die Klasse 10b des Hans-Multscher-Gymnasiums lädt an diesem Morgen zur einer musikalischen Lesung in den Cubus ein. Thema ist ein Roman, den die Schülerinnen und Schüler dieses Jahr im Deutschunterricht zusammen mit ihrem Lehrer Stefan Ammermann behandelt haben. Die 10er-Parallelklassen sowie die Stufe 11 sind eingeladen.

Pfiffig gestaltetes Bühnenbild

Dass dieses Event mit viel Sorgfalt vorbereitet bzw. erarbeitet wurde, zeigt schon allein ein Blick auf die Bühne. Ein geblümtes Sofa, davor ein Tischchen mit Kerzenständer, ein Stapel Schallplatten auf dem Boden - Flickenteppich, Ikea-Stehlampe und Poster versetzen den Betrachter sofort in die 80er Jahre. Der Roman „Hard Land“ von Autor Benedict Wells spielt genau in dieser Zeit, in den USA des Jahres 1985.

„Damals war ich 15 Jahre alt.“, erinnert Stefan Ammermann seine jungen Zuhörer und löst heiteres Schmunzeln aus, als ein Bild ihres Lehrers auf der Leinwand erscheint, das ihn als flotten Teenager mit schulterlangem Haar zeigt. Er sei ein großer Fan des Autors und habe das Buch, als es 2021 erschien, mit Begeisterung gelesen.

Songs und Texte perfekt aufeinander abgestimmt

Das Konzept der Veranstaltung ist stimmig: Eine Schülergruppe hat Songs aus den 80ern ausgewählt und einstudiert, die zusammen mit einer kleinen Band, ebenfalls aus Schülern der Klasse, vorgetragen werden. Eine andere Gruppe suchte Textstellen aus dem Roman aus, die einzelne Höhe-und Wendepunkte der Handlung markieren. Liedtexte und Buchstellen sind inhaltlich passend aufeinander abgestimmt und vertiefen sich gegenseitig.

Die Aufmerksamkeit des Publikums ist den Akteuren sicher. Es ist ganz still im Saal, wenn Schüler einzelne Textauszüge zu Gehör bringen. Funken springen über, wenn bekannte Songs wie „Fast Car“ von Tracy Chapman“ oder „Boys don`t cry!“ von The Cure erklingen.

Schon der erste Satz trifft mitten ins Herz

„Im Mittelpunkt von „Hard Land“ steht Sam, ein einfacher Junge, der versucht, sein Leben zu leben.“, führt Feride Hoti ins Thema ein. Schon der erste Satz enthält den ganzen Plot und trifft den Leser mitten ins Herz: "In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb." Sam ist 15 Jahre jung, er und seine Mitschüler haben gerade ihren Abschluss gemacht. Sie alle stehen vor der großen Frage: Was kommt jetzt? Bleibe ich in der Stadt, suche ich mir hier einen Job? Oder gehe ich weg von zuhause, um zu studieren? Was hält die Zukunft für mich bereit?

Die großen Themen des Lebens

In diesem Spannungsfeld erlebt Sam seine erste große Liebe, sucht er seinen Platz im Freundeskreis und in der Welt - und erleidet den Verlust seiner geliebten Mutter, die an einer Krebserkrankung stirbt.

Der Autor verlegt die Story in die USA des Jahres 1985. Die Gedanken, Gefühle und Erfahrungen des Protagonisten haben jedoch bis heute nicht an Aktualität verloren. Es sind Stellen wie diese, die den Leser nicht mehr loslassen:
- „Natürlich hatte ich gewusst, dass Mütter sterben und Freundschaften zerbrechen, aber ich hatte diese Dinge nie richtig gesehen.“ (S. 24)

- „Eine Weile starrte ich auf den Wald in der Ferne. Und da bekam ich so viel Sehnsucht danach, ein anderer zu sein und alles hinter mir zu lassen, dass es mich fast zerriss.“ (S. 34)

Nach 90 Minuten ist die Doppelstunde zu Ende. Es gibt viel Applaus für dieses gelungene Projekt, das es den Schülern ermöglichte, dem Unterrichtsstoff auf eine sehr kreative und persönliche Weise zu begegnen. Berührt und angesprochen fühlten sich nicht nur die Jugendlichen. Eine Lehrerin, die mit ihrer Klasse dabei war, erklärt: „Ich hab die ganze Zeit mit den Tränen gekämpft.“

„Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“

Da denkt man unwillkürlich an Franz Kafka, der einmal sagte: „Ich glaube, man sollte überhaupt nur noch solche Bücher lesen, die einen beißen und stechen. Wenn das Buch, das wir lesen, uns nicht mit einem Faustschlag auf den Schädel weckt, wozu lesen wir dann das Buch? […] Ein Buch muß die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“

Maria Bertele

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